UTMB World Series – Eine Einschätzung

«Trailrunning bezeichnet alle Arten des Laufens, inklusive Gehen, in einer natürlichen Umgebung mit minimalem Anteil an befestigtem Untergrund.» Ganz simpel oder? Tatsächlich ist Trailrunning eine massentaugliche Sportart, die mit wenig Aufwand und Material betrieben werden kann. Komplizierter wird es erst, wenn man Trailrunning als Wettkampfsport betreiben möchte und sich in der mittlerweile gigantisch grossen Event-Landschaft zurechtfinden sollte. Vor allem der Ultra Trail du Mont-Blanc mit seiner World Series dominiert mittlerweile den Event-Markt und ist für viel Läuferinnen und Läufer ein Lebensziel. Warum das so ist, wie man sich dafür qualifiziert und welche negativen Auswirkungen der ganze Hype haben könnte, erfährst du in den folgenden Ausführungen.

Der Hype

Bereits seit gut 20 Jahren findet nun der Ultra Trail du Mont-Blanc jährlich am letzten August-Wochenende in Chamonix, dem Trailrunning-Mekka, statt. Die Läuferinnen und Läufer umrunden dabei den höchsten Berg der Alpen (Mont-Blanc, 4’807 m .ü.M.) auf einer Distanz von 176 km und bewältigen dabei rund 9’900 positive wie negative Höhenmeter, ein echtes Monster. Nebst dem Hauptlauf werden sieben weitere Distanzen angeboten, vom OCC über den CCC bis zum TDS. Angefangen hat alles mit einer überschaubaren Community, die in den letzten Jahren allerdings massiv gewachsen ist. So zählte der Event 2024 auf all seinen Distanzen über 10’000 Teilnehmende. Und das Aufkommen wäre noch deutlich grösser, würden die Organisatoren die maximale Anzahl nicht begrenzen. Doch warum dieser Hype?

Ein zentraler Grund ist sicherlich das Mont-Blanc Massiv, welches Bergliebhaber*innen fast magisch anzieht. Zudem werden beim Lauf die drei Länder Frankreich, Italien und Schweiz durchquert – wo ist dies sonst möglich? Für Elite Läufer*innen gilt der UTMB als inoffizielle Weltmeisterschaft, bei welchem die leistungsdichte so gross ist, wie an keinem anderen Rennen. Dies ist wiederum auch für die breite Masse attraktiv. Einerseits ist ein direkter Vergleich mit den Weltbesten möglich und andererseits ist man seinen Idolen an keinem anderen Ort so nahe wie in Chamonix. Ein weiteres Argument für den Hype UTMB ist die Sportbegeisterung der Franzosen und der Trailrunning-Community allgemein. Tour de France ähnliche Zustände machen das Erlebnis UTMB zu einem einzigartigen. Zusammenfassend ist die Veranstaltung eine Mischung aus sportlicher Herausforderung, natürlicher Schönheit und einem Gemeinschaftsgefühl, welches für Teilnehmer*innen wie für Zuschauer*innen genauso einmalig ist.

Was UTMB und Ironman gemeinsam haben

Seit dem Jahr 2022 kooperiert die UTMB Group mit der Marke Ironman. Gemeinsam wurde die UTMB World Series ins Leben gerufen, welche mittlerweile über 40 Events weltweit umfasst. Diese dienen, vergleichbar wie beim Ironman, als Qualifikationsrennen für das grosse Finale beim Ultra Trail du Mont-Blanc (UTMB). Elite Athleten haben mehrere Möglichkeiten, wie sie sich für das Finale qualifizieren können. Einerseits qualifizieren sich die Top 3 der jeweiligen World Series Events bzw. Top 10 der als Major definierten Rennen der Serie direkt für den UTMB. Andererseits können sich Elite Athletinnen und Athleten auch über einen genügen hohen UTMB Score (die Leistungen der Teilnehmenden werden pro Rennen mit einem Score von 1 bis 1000 gewertet) einen Startplatz erkämpfen. Nebst der Spitze ist die World Series aber auch der breiten Masse zugänglich. Die Startplätze werden in diesem Fall via Lotterie verlost. Um sich für die Lotterie anmelden zu können, müssen sogenannte Running Stones vorgewiesen werden, welche wiederum bei allen World Series Events gesammelt werden können. Je mehr Running Stones man hat, desto grösser ist die Chance auf einen Startplatz. Klingt kompliziert, ist auch ziemlich kompliziert, aber wenn man es einmal verstanden hat, macht es mit all seinen Vor- und Nachteilen durchaus Sinn.

Pro vs. Contra

Klinkt doch gar nicht mal so schlecht, was die UTMB Group hier auf die Beine gestellt hat. Nebst den positiven Auswirkungen hat UTMB World Series aber auch einige negative Folgen, die nicht unterschätzt werden sollten.

Pro +

In erster Linie fördert die UTMB World Series den Sport Trailrunning und motiviert mehr Menschen, diesen Sport auszuprobieren. Die erhöhte medial Aufmerksamkeit führt dazu, dass mehr Geld in den Sport investiert wird und sich die Sportart dadurch stärker professionalisiert. In der Folge können immer mehr Athletinnen und Athleten vom Sport leben und sich voll und ganz darauf konzentrieren, was wiederum das sportliche Niveau im Elite-Bereich anhebt. Die Events haben weltweit einen einheitlichen Standard, wodurch den Teilnehmenden eine hohe Qualität gewährleistet werden kann. Zudem profitieren die lokalen Eventorganisatoren von der Reichweite der UTMB Group bzw. erhalten Unterstützung in der Organisation. Erfahrungsgemäss locken UTMB Events deutlich mehr Teilnehmende an als Events ohne Label. Dadurch kann die lokale Wertschöpfung erhöht und unterstütz werden.

Contra –

Als grösster Kritikpunkt muss vermutlich die zunehmende Kommerzialisierung der Sportart genannt werden. Trailrunning ist mittlerweile ein Business, in welchem es um viel Geld geht. Und wo Geld im Spiel ist, folgen oftmals auch negative Auswirkungen. UTMB Events werden im Franchise-Modell geführt und haben dadurch ein einheitliches Auftreten. Der eigene Charakter geht dadurch verloren und die Events werden zu Massenveranstaltungen. Die grosse Nachfrage nach den UTMB-Rennen treibt zudem die Startgebühren in die Höhe. Teilweise ist die Nachfrage gar so gross, dass die Veranstalter kein normales Anmeldeverfahren anbieten können, sondern man nur noch über eine Lotterie einen Startplatz ergattern kann. Auch wenn die World Series grundsätzlich ein tolles System ist, erlangt die UTMB Group dadurch eine Art Monopolstellung und Events ohne Label haben einen sehr schwierigen Stand. Da das Sammeln der Running Stones nur an UTMB-Rennen möglich ist, ist die Bereitschaft der Teilnehmenden für längere Reisen sicherlich grösser, was wiederum einen negativen Effekt auf die Umwelt haben kann. Zudem bewegen sich immer mehr Menschen auf den Trails, wodurch beliebte Routen oftmals überlaufen sind und Konflikte mit anderen Nutzergruppen entstehen können.

Fazit

Der Ultra Trail du Mont-Blanc ist die Leuchtturm-Veranstaltung in der Welt des Trailrunnings und grosses Ziel vieler Läuferinnen und Läufer. Seit der Lancierung der UTMB World Series hat die Sportart im Wettkampfbereich einen regelrechten Boom erlebt – Chance und Gefahr zugleich. Touristisch gesehen zeigt das Beispiel UTMB aber einmal mehr deutlich auf, wie gross das Potenzial des Segments ist. Wer dieses clever nutzt und sich aktiv als Trailrunning-Destination positioniert, kann sich von der Konkurrenz deutlich abheben und den Sommertourismus auf ein neues Level heben.

Geschrieben von Nico Dalcolmo